Am 20. Mai 1944
erblickt eine der rauhsten und markantesten
Stimmen im Showgeschäft das Licht des
Sheffielder Krankenhauses - Joe Cocker.
17 Jahre später
führt er ein Doppelleben. Tagsüber schuftet er
als Gasinstallateur, während er nachts als Vance
Arnold mit seiner Band, den Avengers, i
n Sheffields
Kneipen auftritt. 1963 bringen sie es immerhin
so weit, einen Auftritt der Rolling Stones
eröffnen zu dürfen.
Im Jahr darauf
veröffentlicht Joe mit seiner neuen Band (Joe
Cocker Big Blues) seine erste Single, ein ein
Beatles-Cover von "I'll Cry Instead." Eine
weitere Coverversion eines Beatlesstückes
verhilft ihm 1968 zum ganz großen Durchbruch. "With
A Little Help From My Friends" aus dem
gleichnamigen Album erreicht in Großbritannien
die Poolposition der Charts und geht auch im
Rest Europas gut ab.
In den USA wird 1969, nach einem Auftritt in der
Ed Sullivan Show, die Presse auf ihn aufmerksam.
Im selben Jahr
gelingt ihm in Woodstock DIE Liveversion von "With
A Little Help From My Friends".
Obwohl ihn der
große Erfolg des Songs fast unsterblich macht,
ist er am Ende der Amerika-Tournee durch
Alkohol- und Drogenexzesse dem Tod sehr nahe.
Seine Probleme
mit Genussmitteln jeglicher Art häufen sich und
wirken sich negativ auf die Qualität und die
Verkaufszahlen
seiner Alben aus. Für ein paar Jahre nimmt er
nichts Neues auf, sondern tourt permanent,
um seine
Rechnungen zu begleichen. Anfang der 80er geht
es dank einer Kooperation mit den Crusaders
wieder bergauf.
In deren Folge entsteht mit "Sheffield Steel"
(1982) ein Album, dass ihn wieder ganz nach oben
katapultiert.
Die kommenden
Alben festigen seinen Ruf als Großmeister in der
Kunst des Coverns.
Joe Cocker und seine unzähligen Hits begleiten
bis heute den Alltag der westlichen
Weltbevölkerung.
Nicht nur "With A
Little Help From My Friends", "Unchain My Heart"
und "You Are So Beautiful"
verdanken es
seiner whiskeygestählten Stimme im kollektiven
Bewusstsein unvergesslich und jederzeit abrufbar
zu sein.
Zahlreiche Gold-
und Platinauszeichnungen begleiten seinen
internationalen Erfolg. Seine Alben verkaufen
sich eigentlich von alleine, bereits vor
Erscheinen ist durch Vorbestellungen der
Goldstatus gesichert.
Seitdem hat der Sänger aus Sheffield, der im Mai
dieses Jahres seinen 60. Geburtstag feierte,
immer wieder vertraute Songs der Pop- und
Rockgeschichte adaptiert, und das ebenso
einfühlsam wie selbstsicher, wenn nicht sogar
gebieterisch. Zweifellos zählen gerade diese
Interpretationen zu den Highlights der
Studioalben und unzähligen Konzerte seiner vier
Dekaden umspannenden Laufbahn. Nun hat
Joe Cocker sich
entschieden, ein Album aufzunehmen, dass
ausschließlich aus Coverversionen besteht,
allesamt Beispiele für seinen erlesenen
Geschmack, aber vor allem für seine einzigartige
Kunst, sich fremde Songs zu eigen zu machen. "Heart
& Soul" ist ein weiterer Meilenstein in der
phänomenalen Karriere von Joe Cocker.
0 "In all den Jahren haben sich Fans an mich
gewandt in der Hoffnung, dass ich einen Track
eines anderen Künstlers, den sie ebenso verehren
wie ich selbst, neu interpretiere", so Joe
Cocker. "Fast jedes Album, das ich
veröffentlicht habe, hat einen, wenn nicht zwei
solcher Songs beinhaltet. Das hat vielleicht
unvermeidlich zu der Annahme geführt, dass ich
schließlich ein Album veröffentliche, das sich
komplett aus Coverversionen zusammensetzt. Nun,
hier ist es. Meine erste Idee war zwar, dass das
Album ausschließlich aus Songs aus den
Sechzigern bestehen sollte, in der mein
Geschmack und meine Einflüsse wirklich Form
annahmen, aber in der Planungsphase hat es sich
durch die Jahre vorgearbeitet, sodass es am Ende
auch Songs aus den Siebzigern, Achtzigern und
Neunzigern enthält." Zweifellos ist jeder Song
von jeher ein moderner Klassiker, aber jeder
einzelne profitiert von Joe Cockers sehr
persönlicher Lesart.
Sowohl die Bandbreite als auch die exzellente
Auswahl demonstrieren Cockers untadeligen
Musikgeschmack. Es dürfte kaum überraschen, dass
die ältesten Originale aus dem weiten Feld von
Soul und Rhythm'n'Blues stammen.
So nimmt er beliebte Evergreens
dieser Genres in Angriff: von
Aretha Franklin
("Chain Of Fools"), Ben. E. King ("I Who Have
Nothing"), Chuck Jackson ("I Keep Forgetting"),
Nina
Simone
("I Put A Spell On You"), Marvin Gaye ("What's
Going On") und
Rose
Royce ("Love Don't
Live
Here Anymore").
Jedes Mal gelingt es ihm, dem jeweiligen Song
etwas Neues und Einzigartiges hinzuzufügen.
Seine Bewunderung für exzellente Songwriter und
Ikonen der Rockmusik bringt er mit den
Coverversionen einiger seiner Lieblingssongs
nicht minder hervorragend zum Ausdruck. "Don't
Let Me Be Lonely" (James Taylor), "Jealous Guy"
(John Lennon), "Maybe I'm Amazed" (Paul
McCartney/Wings), "Every Kind Of People" (Robert
Palmer), "One" (U2) und "Everybody Hurts" (R.E.M.)
zählen von nun an nicht nur zu den besten
zeitgenössischen Rocksongs, sondern auch zum
Kanon der Cocker-Klassiker.
"Wenn du so alt bist wie ich, hat sich dein
Gesangsstil ziemlich gefestigt und du kannst
nichts tun, um daran etwas zu ändern", sinniert
Joe Cocker und
erläutert dann seine Herangehensweise an heilig
scheinende Territorien. "Offensichtlich ist
jeder Song bereits vom Originalkünstler
definitiv interpretiert worden, aber war
zugleich häufig Gegenstand zahlreicher
alternativer Versionen. Indes habe ich mich nie
der Arbeit eines Künstlers genähert, wenn ich
nicht das Gefühl hatte, dass ich diesem etwas
anderes und persönliches hinzufügen konnte - und
ich sage das ganz ohne Arroganz. Eher kann man
dem Song eine andere Art von Integrität
verschaffen, voller Respekt und zur Ergänzung
zum Original. Warum sollte ich mich sonst an ‚What's
Going On' versuchen, das Marvin so perfekt und
wunderschön hinbekommen hat? Es geht nicht
darum, etwas verbessern zu wollen. Es gilt zu
versuchen, dem Song eine eigene kleine
Geschmacksnote zu verpassen."
"Heart & Soul" wurde in Hollywood aufgenommen,
und zwar im Studio seines langjährigen
Weggefährten CJ Vanston, der als enger
Mitarbeiter, Keyboarder, Produzent und Arrangeur
Joe Cockers Sound der letzten Jahre mitgeprägt
hat. "Ich sollte hinzufügen, dass man sich kein
riesiges Studio vorstellen darf, eher einen
kleinen Raum, der nicht viel größer ist als ein
durchschnittliches britisches Wohnzimmer, und
darin noch ein Mischpult und eine Gesangskabine
gequetscht. Das verbreitet eine unglaublich
intime und private Atmosphäre, die es mir leicht
gemacht hat, in meine kleine Welt zu entfliehen
und in jedem Song vollkommen aufzugehen." Einmal
mehr wurden die Sessions von ungewöhnlichen
Umständen begleitet. "Wenn ich in L.A. aufnehme,
sind die Chancen groß, dass irgendetwas
Ungewöhnliches passiert. So habe ich in der
Vergangenheit schon Aufnahmen gemacht, als es
dort das große Erdbeben gab. Diesmal wüteten
während der ersten Sessions Waldbrände rund um
die Stadt. Überall fiel Asche und nachts, wenn
ich mit dem Auto fuhr, loderten die Feuer auf
beiden Seiten des Freeways. Das war schon eine
merkwürdige Zeit und als Ergebnis klingt meine
Stimme auf einigen Stücken besonders trocken und
rauchig. Wir hatten schon mit dem Gedanken
gespielt, das Projekt ‚The Fire Sessions' zu
nennen." Die an den Aufnahmen beteiligten
Musiker machten jedenfalls mächtig Dampf und
dabei gaben sich auch einige Gitarristen von
Rang und Namen die Ehre, den einen oder anderen
Song zu veredeln, darunter die Altmeister
Jeff Beck und
Eric Clapton
sowie
Steve Lukather
und Mike Landau. Für die exzellente Abmischung
sorgte der versierte Bob Clearmountain.
Joe Cocker ist
trotz seines weltweit anerkannten Gesangstalents
stets sein größter Kritiker geblieben. So
gesteht er, dass er auch diesmal seine
Songauswahl gelegentlich als anmaßend empfunden
habe. Glücklicherweise kam die Bestätigung, dass
seine Wahl alles andere als dreist war, aus
berufener Quelle. "Ich sah zufällig eine
Fernsehshow, in der
Bono ‚That's
Life' sang. Vorher hatte ich mich noch mit dem
einen oder anderen Stück inklusive des Songs von
U2 schwer getan. Aber als ich sah und hörte, wie
er etwas sang, was so eng mit dem großen Frank
verbunden wird, dachte ich mir, nun gut, wenn er
bereit ist, sich so liebevoll Sinatra zu widmen,
wird es schon ok sein, wenn ich mich auch an all
dem Zeug heranwage." Traurigerweise sind aus
zwei Songs postume Widmungen geworden für
Künstler, die in jüngster Zeit verstorben sind.
"Ich hatte schon als Teenager einige Alben von
Nina
Simone und
reagierte schon immer instinktiv auf ihre
faszinierende Art, einen Song herüberzubringen.
Mit ihr hat die Musik eine ganz Große verloren.
Und was Robert Palmer betrifft...
"Wir waren zwei Typen aus Yorkshire mit gar
nicht mal so unterschiedlichem Background, die
sich schon vor langer Zeit trafen", erinnert
sich Cocker an jene Zeit vor etlichen Jahren,
als Robert Palmer bei den Aufnahmen des Albums
"Sheffield Steel" als Backgroundsänger aushalf.
"Es war ein Schock, der eine tiefe Trauer
auslöste, ihn so unerwartet und in so relativ
jungem Alter zu verlieren. Er war ein sehr, sehr
begabter Mensch." Aber genau das ist eigentlich
die Essenz von "Heart & Soul", eine sehr
persönliche, höchst liebevolle und zutiefst
dankbare Verbeugung vor den vielen Künstlern,
deren Schaffen den Geschmack und die
künstlerische Ausrichtung des Mannes geprägt
haben, der selbst verehrt und bewundert wird wie
nur wenige Briten, wenn nicht wie wenige
Künstler auf der ganzen Welt. Joe Cocker, stets
bescheiden geblieben, schenkt solch
Übertreibungen nur ein Lächeln und bringt sein
neues Album achselzuckend mit ein paar
schlichten Worten auf den Punkt: "Im Laufe der
Jahre scheint man es richtig lieb gewonnen zu
haben, wenn ich Hits von anderen in Angriff
nehme. Diesmal habe ich das im großen Stil
gemacht und, wenn ich ehrlich bin, denke ich,
wir haben unseren Job ziemlich gut gemacht."
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